Im Rahmen des Wiener Museums befinden sich mehrere
Wohnungen, in denen bekannte Komponisten der Romantik lebten und wirkten.
Darunter sind das Geburtshaus von Franz Schubert sowie die Wohnung, in der der
Komponist seine letzten Tage verbrachte. Musikliebhabern steht die
„Musicus“-Karte zur Verfügung, mit der sie diese Museen günstiger besuchen und
interessante Details aus dem Leben von Beethoven, der Familie Strauß oder
Schubert erfahren können.
Nach dem Besuch des Schubert-Museums folgt hier eine kleine Geschichte darüber, wie das Hausmusizieren zu Schuberts Zeit zu blühen begann.
Nach dem wirtschaftlichen Niedergang des Adels und dem Verschwinden vieler kleiner Fürstentümer nahm die Zahl wohlhabender Höfe, die Kunst finanzieren konnten, drastisch ab. Musiker standen nicht mehr im Dienst von Fürsten oder hohen Kirchenvertretern, sondern verdienten ihren Lebensunterhalt als freie Künstler – durch öffentliche Auftritte, Musikunterricht, Auftragskompositionen oder das Schreiben von Werken für Musikverlage.
Mit dem Bedeutungsverlust des Adels wuchs die urbane Mittelschicht sowohl in ihrer Größe als auch in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. Musikspielen entwickelte sich zu einem zentralen Bestandteil des Lebensstils der mittleren und oberen Gesellschaftsschichten. Diese verfügten über das nötige Einkommen und die Freizeit, um Instrumente zu kaufen und das Musizieren zu erlernen. In vielen bürgerlichen Haushalten war der Abend dem gemeinsamen Musizieren mit Familie und Freunden gewidmet. Neben dem Gesang wurden Instrumente wie Klavier, Violine, Flöte, Gitarre oder andere gespielt.
Ein bedeutendes Beispiel für die neue Rolle des Musikers war Franz Schubert. Er hatte niemals eine feste Anstellung und lebte vor allem vom Verkauf seiner Werke – insbesondere seiner Lieder und Klaviermusik. Als unabhängiger Komponist war er weitgehend frei von der Unterstützung durch Gönner, auf die selbst Beethoven, sein Zeitgenosse, noch angewiesen war.
Das häusliche Musizieren schuf eine stetige Nachfrage nach neuer Musik, was eine wahre Blütezeit des Musikverlagswesens einleitete. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verzeichneten Verlagskataloge zehntausende neuer Kompositionen. Auch die Anzahl an Musikgeschäften nahm stark zu. Durch die Erfindung der Lithografie wurde das Drucken von Noten günstiger und ermöglichte eine detailreiche Gestaltung, was den Verkauf weiter ankurbelte. Noch nie zuvor war so viel Musik produziert worden, um die Wünsche des Publikums zu befriedigen – und das Publikum hatte erheblichen Einfluss auf das Musikschaffen.
Musik bot eine willkommene Flucht vor gesellschaftlichen Zwängen, Kriegen, wirtschaftlichen Sorgen und politischer Repression. Für junge Frauen aus höheren Gesellschaftsschichten galt die Beschäftigung mit „edlen Künsten“ wie Gesang oder Klavierspiel als wesentlicher Bestandteil der häuslichen Erziehung. Im Zentrum dieses musikalischen Familienlebens stand das Klavier. Dank neuer Fertigungstechniken wurde es erschwinglicher. Besonders die kompakten, rechteckigen Klaviere fanden ihren Platz in den Salons der bürgerlichen Haushalte.
Ein besonders geschätztes Medium der Frühromantik war der Gesang mit Klavierbegleitung – eine Ausdrucksform, die mit relativ geringem Aufwand große emotionale Tiefe ermöglichte. Das deutsche Kunstlied wurde zum einflussreichsten Genre des 19. Jahrhunderts und erreichte seine größte Popularität in der Epoche der Romantik. Die Zahl der veröffentlichten Liedersammlungen stieg rasant an: während Ende des 18. Jahrhunderts noch etwa eine Sammlung pro Monat erschien, waren es im Jahr 1826 bereits hundert pro Monat. Die Allgemeine musikalische Zeitung stellte daher zu Recht die Frage: „Hat es je eine fruchtbarere Zeit für das Lied gegeben als die unsere?“
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Sebastian Gutzwiller: Basler Familienkonzert (1849) |
Klaviermusik und Gitarre zur Zeit Schuberts: Hausmusik, Freundschaft und musikalische Kreise
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Tonaufnahmen noch nicht existierten, war das Live-Musizieren die einzige Möglichkeit, Musik zu erleben. Klaviermusik spielte dabei eine zentrale Rolle. Komponisten schrieben zahlreiche Lieder, Klavierstücke und Duos, während Arrangeure Orchester- und Kammermusikwerke für ein oder zwei Klaviere bearbeiteten. Auf diese Weise wurden viele Werke des Konzertrepertoires einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.
Um ihre Musik für den häuslichen Gebrauch geeigneter zu gestalten, komponierten viele Musiker eingängige Melodien mit harmonischer Begleitung, regelmäßigem Rhythmus und in einfachen Formen. Klaviermusik war beinahe ebenso beliebt wie das Kunstlied. Beide Ausdrucksformen fanden ihren festen Platz in der Hausmusik, die in der bürgerlichen Gesellschaft dieser Zeit äußerst geschätzt wurde.
Klavierwerke dieser Epoche erfüllten meist drei Funktionen: sie dienten als Lehrmaterial, als musikalische Unterhaltung im privaten Kreis und als Konzertstücke für Virtuosen. Werke, die speziell für Amateure bestimmt waren, umfassten Tänze, lyrische Charakterstücke, Lieder ohne Worte und Sonaten. Franz Schubert hinterließ bedeutende Beiträge zur Klaviermusik des frühen romantischen Zeitalters.
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Franz Schuberts Gitarre |
Weniger bekannt ist, dass auch die Gitarre im musikalischen Leben Schuberts eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte. In Schuberts Museum in Wien ist eine Gitarre ausgestellt, die ihm angeblich von dem Amateur-Sänger Johann Karl Umlauf geschenkt wurde, einem Wiener Juristen, der zwischen 1816 und 1821 tätig war. Das Instrument wurde in den 1820er Jahren von Bernhard Enzensperger, einem bekannten Wiener Gitarren- und Geigenbauer, angefertigt und später restauriert.
Die sogenannten Schubertiaden, gesellige musikalische Abende im Freundeskreis, waren ein zentraler Bestandteil von Schuberts künstlerischem Leben. Sie fanden häufig im Salon statt, aber auch im Freien, wie eine Lithografie von Ludwig Mohn aus dem Jahr 1820 zeigt: Sie basiert auf Zeichnungen von Franz von Schober und Moritz von Schwind und zeigt Schubert bei einem Ausflug, wie er einem Gitarren- und Violinduo lauscht.
Ein besonderer Ort für solche Treffen war das Anwesen Atzenbrugg bei Wien, das einem Verwandten von Schuberts Freund Franz von Schober unterstand. In den 1820er Jahren verbrachte Schubert dort mit seinem Freundeskreis mehrfach sommerliche Tage, erfüllt von Musik, Tanz, Spielen und Naturgenuss. Die dort entstandenen Werke, wie etwa die Deutschen Tänze aus Atzenbrugg von 1821, zeugen vom engen Zusammenhang zwischen Musik und geselligem Leben jener Zeit. Heute befindet sich an diesem Ort ein Museum, das rund 250 Exponate zu Schuberts Leben und Schaffen zeigt, und es wird jährlich ein Musikfestival unter dem Namen Schubertiade veranstaltet.
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Ballspiel in Atzenbrugg |
Obwohl es keine Beweise gibt, vermuten einige Forscher, dass Schubert von seinem Vater das Gitarrespielen gelernt haben könnte. Sicher ist hingegen, dass er die Gitarre als Instrument der Hausmusik sehr schätzte. Sein Vater, Franz Theodor, musizierte in einem kleinen Hausensemble mit Flöte, Viola, Violoncello und Gitarre. Für diese Besetzung arrangierte Schubert 1814 das Nocturne op. 21 von Wenzel Thomas Matiegka – ein frühes Beispiel für sein Interesse an Gitarrenmusik.
Schubert selbst besaß mindestens zwei Gitarren, wie aus seinem Nachlass hervorgeht. Eine davon befindet sich heute im Wien Museum, die andere ist Teil der Sammlung des Männerchors der Wiener Schubertgesellschaft. Wahrscheinlich erwarb er seine erste Gitarre um 1813, als er ein Terzett für Männerstimmen mit Gitarrenbegleitung komponierte.
Ein besonders interessantes Kapitel ist Schuberts Begegnung mit einem seltenen Instrument – dem Arpeggione. Dieses von Johann Georg Stauffer 1823 erfundene Instrument, auch als Guitarre-Violoncell, Guitare d’amour oder Arpeggione bekannt, wurde mit einem Bogen gespielt, war aber wie eine Gitarre gestimmt. Schubert schrieb 1824 eine Sonate in a-Moll für Arpeggione und Klavier – das einzige bedeutende Werk für dieses Instrument. Heute wird diese Sonate meist auf Bratsche oder Violoncello gespielt.
Franz Schubert war nicht nur ein bedeutender Komponist seiner Zeit, sondern auch ein sensibler Beobachter des musikalischen Alltags. Sein Umgang mit Klavier und Gitarre zeigt, wie tief Musik im gesellschaftlichen Leben verankert war – zwischen Freundschaft, Kunst und der Freude am gemeinsamen Musizieren.
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